Zur Person

« Aufgewachsen in der Nähe des ältesten Klosters im deutschsprachigen Raum, einem Benediktinerkloster, war ich schon als Kind sehr beeindruckt von den Chorgebeten der Mönche in ihrer über 700jährigen Klosterkirche, die seit ihrer Weihe kaum Veränderungen erfuhr. Je älter ich wurde, desto mehr zog es mich an diesen geweihten Ort.

Später ging ich dieser Faszination auf den Grund, indem ich begann, mich intensiver mit dem Gregorianischen Choral zu befassen. Zusammen mit einigen KommilitonInnen gründete ich eine Choralschola an der Universitätskirche Heidelberg. Wir gestalteten Gottesdienste und machten Wochenendausflüge zu Klöstern, wo wir uns von den Kantoren instruieren liessen. Irgendwann ergab sich die Gelegenheit, den Gregorianischen Choral in einem fundierten kirchenmusikalischen Studium gründlich zu erlernen, nachdem ich bereits Theologie und Germanistik studiert hatte.

Je länger ich mich mit diesem gesungenen Gebet befasse, desto grösser wird die Faszination. Jedesmal, wenn ich eine Probe – kann man hier eigentlich von «Probe» sprechen? – oder einen Gottesdienst vorbereite, geniesse ich es, die Nuancen der Stücke auszuloten, der Textbedeutung bis ins letzte Detail nachzuspüren. Den Sängern und Schreibern des neunten und zehnten Jahrhunderts gelang es, mit wenigen feinen Federstrichen und wenigen Worten oft mehr an Theologie – «Rede von Gott» – zu vermitteln, als es die dicken Bücher vermochten, die ich während meines Theologie-Studiums las. Wenn ich über den Handschriften aus Einsiedeln oder Sankt Gallen sitze, dann fühle ich mich wundersam synchron mit den Brüdern, die vor über tausend Jahren diese Texte sangen und schrieben, und es wird mir deutlich, was das Faszinosum des Gregorianischen Chorals ausmacht: Er ist immun für das Strömen, ja das Verströmen oder Zerströmen der Zeit. Wer Choral singt, wer ihm Stimme und damit Körper, Leib, Fleisch verleiht, den macht er wie ein Immunstimulans selbst immun für das Rasen der äusseren Zeit, wenigstens während weniger Augenblicke, «...ut mens nostra concordet voci nostræ – damit unser Geist im Einklang sei mit unserer Stimme» (Regula Benedicti, Cap. 19). »